Bielendorf in der
Grafschaft Glatz
(Schlesien)

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Aktualisierungstand:
20. November 2016

Alte Dokumente aus Bielendorf

Bielendorf (Kreis Habelschwerdt/Grafschaft Glatz)

„Mein Bielendorf“ von R. L. und
„Abschied von Bielendorf“ von Margarete Lasse
in: Grafschaft Glatzer Heimatblätter 1952

Seite 198

Seite 199

Quelle: Grafschaft Glatzer Heimatblätter, 4. Jahrgang (September) 1952, S. 198-199

 

Mein Bielendorf.

Als ich vor mehr als einem Menschenalter Bielendorf das erste Mal besuchte — treffender müßte ich eigentlich sagen, als ich es entdeckte, da war dieses liebe Bergdörfel der Sportwelt noch gar nicht erschlossen. Es träumte einen Dornröschenschlaf. Ein solches Träumen entsprach damals meiner inneren Einstellung. Der Krieg war eben, mit Blut und Tod vorübergegangen, die Nachwehen machten sich wie ein Albdruck überall ungünstig bemerkbar. Das steinerne Meer der Städte bedrückte den Menschen, der Zug zur Natur war und wurde immer unverkennbarer. Ich floh aus diesem Zwiespalt in die unverfälschte Natur, in die Freiheit und Einsamkeit und fand auf meinen sehnsüchtigen Wanderwegen das verträumte Dörfel, mein Bielendorf.

Damals: Wie ein weißer Faden schlängelt sich die Straße von Schreckendorf an der Biele entlang über Gersdorf nach Bielendorf hoch. An der „Hölle” verjüngt sich das Tal fast zu einem Engpaß, das Reichensteiner- und Bielengebirge treten ganz, dicht an den Flußlauf heran. Das Bieletal wird romantisch, das Bieledörfel reizvoll. Hier ein Häuschen, dort ein kleiner Hof an der Berglehne, ein, Steg führt zu ihm über den schäumenden Gebirgsbach. Ein Gärtchen links — rechts vom Wohnhaus, Blumen an den Fenstern, die wie zusammengekniffene Aeuglein in den Tag lugen. Es öffnet sich ein kleines Seitental. Ein Bach kommt herabgehüpft, wie Perlen stehen einige kleine Häuslein aufgereiht. Spärlich nur sind die Landkulturen, dagegen blaut dichter — junger und älterer — Forst an den Hängen bis hinauf zur Höhe. Ein Kirchlein blinkt auf, lauter Kindertumult in der Nähe — die Schule. Die Häuser treten näher heran an die Straße, das Dorfgasthaus ward sichtbar, „Saalwiesenbaude, Josef Groeger” lesen wir. Das gleiche Dorfbild weiter. Eine Brettmühle, sie liefert das elektrische Licht — das Forsthaus; und nun wird das Tal so enge, daß nur die schmale Straße und der Bach hindurchschlüpfen können. Und dann stehen wir an einer Wegekreuzung und an der Teilung des Baches: nach Westen gegen den Urlich die schwarze Biele, der Wegweiser „Nach Mohrau”, nach Süden gegen den Fichtlich die weiße Biele, der Wegweiser. „Ueber den Fichtlich nach Ramsau.” Ein Täfelchen unter dem Wegweiser: Im Zollgrenzbezirk. Dann die stillen, weiten Wälder, die einsamen Wanderstraßen — Marianen-, Bachmann-, Bismarckstraße und wie sie alle heißen. Stundenlang kann man sie durchwandern als Begleitung singende, jauchzende Bäche, den sonnigen Frieden immer und überall. Und die Freiheit! Die Menschen ein lieber, treuer Schlag — Schlesier mit einer vertrauenden Seele.

Später: Alles zog mich an. Ich war einmal dort. Ich kam wieder, — immer wieder, bis mich fast alle Wochenendtage dort sahen. Jeder Weg, jeder Steg führte mich in das stille, friedliche Tal. Ich durchforschte die weiten Wälder, ich folgte der Sehnsucht, dem Frieden, der durch die einsamen Waldesgassen und auf den verschwiegenen Steigen dahinschritt, zu jeder Tageszeit — auch des Nachts, da die Menschenseele ganz wach ist. Ich wurde des Dichterwortes inne: „... der liebe Gott geht durch den Wald ...“ Die Sonne leuchtete mir, die Wetter waren um mich in Dur und Moll, die Wintergöttin — einschmeichelnd und traulich — war mir die liebste Gefährtin. „… Ja, schien dir die Sommerwelt trotz ihrem Blühen leer, — So nimm dein Herz und trags zur Winterszeit — In eines Märchenwaldes schnee’ge Pracht — ...”, sagt Isa Ernst. Nur zu recht hat unsere Glatzer Heimatfreundin. Auch mir wurde das Herz in den Steinmauern der Stadt und unter Alltagsmenschen manchmal schwer und traurig. Dann trug ich die unfreundliche Last zur sonnigen Höh und wanderte Höhenwege bis hin an das Tor der Sehnsucht, durch das ich sodann erleichtert Schritt in den Frieden der tröstenden Natur. Das Häuschen am Waldrande nahm mich immer auf — zu jeder Zeit. In der Einfachheit seiner vier Wände und unter der fürsorglichen Betreuung durch die Hausmuttel war gut sein.

Ganz in der Nähe träumte die „einsame Fichte” und nicht weit von ihrem Standort, da führte der „Heinzelmännchenweg” zur Höhe. Von der Höhe hatte man einen prächtigen Blick ins Tal hinab. Es war ein freundliches Erlebnis, von hier oben den Tag zu beobachten und ihn schwinden zu sehen. Hinter dem „Schwarzen Berge” sinkt die Sonne langsam gen Westen, Schritt für Schritt kriecht auf der Gegenseite der Schatten den Berghang hinan, die Dämmerschatten hüllen das Tal ein. Das Glöcklein hebt seine Stimme, — das Abendrot wird blasser. Stille um uns — Kühle erfaßt uns und und die Natur — Friede der Nacht.

Viele Jahre hindurch — ob die Natur in Blüten prangte oder blau der Aether zur Sommerzeit leuchtete, erst recht, wenn die Welt in Gold erglühte und wenn es frostete und schneite — gehörten die Traulichkeit und der Frieden jener Ecke des Glatzer Landes mir. Fast möchte ich sagen, mir allein. Es war mir ein Herzensgeheimnis, die Treue und Liebe für dieses Fleckchen Erde in mir verschlossen zu halten, als ob es mir genommen werden könnte. Die Februartage 1943 vereinten letztmalig eine kleine Gesellschaft im Winterparadies Bielendorf.

Und zuletzt. Die Kriegsfurie jagte uns aus Haus und Hof, die Brandfackel nagte an unserem Heim, wir lagen auf der Elendsstraße. Mitte April 1945 mußte ich noch einmal mein Bieledörfel aufsuchen, — wer weiß, was uns die Zukunft noch bringen würde. Alles, was ich an diesem stillen Winkel so liebte, war noch da — die Traulichkeit, der Friede, die lieben Menschen. Doch über all dem eine bange Sorge, eine Seelenangst vor der Zukunft, Noch einmal schritt ich bedächtig den Heinzelmännchenweg entlang, sah wehmütig von der Höhe auf mein stilles Dörfel hinab und ging an der einsamen Fichte vorbei zutal. Ein leichter Morgenwind rauschte durch ihre Krone, als wollte sie mir einen letzten Gruß in die Ferne und fragwürdige Zukunft mitgeben. Meine Hand lag noch einmal in den Händen treuer Freunde, — dann schritt ich denselben Weg zurück, der mich einst ins Bieledörfel geführt hatte.

Heute nach sieben Jahren. Das Schicksal hat uns alle einen dornigen Pfad geführt, hat uns in alle Winde verstreut. Und alle meine Heimatfreunde haben diesen steinigen Pfad schlecht und recht überwunden, nur mein Pensionsmütterchen hat die Sehnsucht nach dem stillen Bieletal verzehrt. Sie ruht im Sachsenland aus von ihren schweren und entbehrungsreichen Stunden ihres arbeitsamen Lebens. Heute gehen meine Gedanken nicht nur zurück nach dem lieben Bielendorf, sie verweilen auch an dem einsamen Grabe einer treuen Seele. R. L.

 
Abschied von Bielendorf.

Es war einmal – –
8. 2. 1943

Vorüber sind der Ferien frohe Zeiten,
Da wir auf Bretteln durch des Winters Pracht,
Durch dieser Wälder tiefe Einsamkeiten
So manche schöne Winterfahrt gemacht.

Und kommt der Alltag nun mit seinen Pflichten,
So geht's ans Werk mit frischen, frohen Sinn. –
Nur im Erinnern die Gedanken richten
Sich zu dem lieben Bieledörfel hin.

Zu Muttel Forches lieber, trauter Klause,
Wo man so freundlich aufgehoben war,
Die wie ein freidlich-trauliches Zuhause
Uns winkt. – Wir freuen uns auf's nächste Jahr.

Maragrete Lasse = Brieg

 

 

Nähere Informationen über diese Internetseite erhalten Sie von Dipl.-Ing. Christian Drescher per E-Mail an: info (at) bielendorf . de

 

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Erste Version vom 25.12.2001, letzte Aktualisierung am 20.11.2016.

 

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